Neuerwerbung dreier Werke von Etel Adnan

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Die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen hat der Hamburger Kunsthalle mit der Übergabe dreier Werke der libanesisch-US-amerikanischen Schriftstellerin und Malerin Etel Adnan (1925–2021) einen großen Erwerbungswunsch erfüllt: Mit den Dauerleihgaben kann der wichtige Sammlungsstrang der Gegenwartkunst an starken weiblichen Positionen der Nachkriegs- und Gegenwartskunst, beispielweise vertreten durch Rosemarie Trockel, Cady Noland und Charlotte Posenenske, ergänzt werden. Zudem öffnen die Gemälde den westlich geprägten Kanon hin zu einem Spektrum an Arbeiten von international anerkannten Künstler*innen aus dem arabischen Raum, die unter anderen bereits mit Mona Hatoum, Walid Raad und Rayyane Tabet in der Sammlung vertreten sind. Der Ankauf durch die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen wurde durch eine mäzenatische Spende von Prof. Dr. Michael und Christl Otto ermöglicht. Die drei Gemälde Untitled (#42a), 2003, Untitled (#302), 2018 und Untitled (#337), 2019 sind herausragende Beispiele für Adnans malerisches Werk, das sich zwischen den Disziplinen Poesie und Malerei, Wort und Bild bewegt. Ihre politisch aufgeladenen literarischen Werke sind eine starke Stimme des Feminismus und der Friedensbewegung. Ihre Malerei vermittelt ungefiltert die Freude der Künstlerin am Leben. Erst in hohem Alter wurde Etel Adnan als Malerin international bekannt. 2021 erhielt sie posthum den Lichtwark-Preis für ihr Lebenswerk in der Hamburger Kunsthalle – sie starb wenige Tage vor der Preisverleihung.

Kennzeichnend für Etel Adnans Werke sind leuchtende, pastos aufgetragene Farbschichten, die sich in ihren kleinformatigen Ölgemälden zu klaren und eindringlichen Kompositionen verbinden. Sie selbst beschrieb die Malerei als eine Möglichkeit, aus der Begrenztheit der Sprache auszubrechen und Dinge und Gefühle wiederzugeben, für die Worte nicht ausreichen. Die Umrisse des Mount Tamalpais tauchen immer wieder in ihren Bildern auf: Jahrelang lag dieser als Konstante vor ihrem Fenster in Kalifornien. In ihrer Beschäftigung mit dem Berg, der mal grün, mal blau, mal orange aus ihren Leinwänden herausleuchtet, klingt auch die Frage nach Identität – als Künstlerin, als Vertriebene und als Frau – an.

Etel Adnan (*1925 in Beirut, †2021 in Paris) wuchs im damals französisch kontrollierten Libanon auf. Sie studierte Literatur in Beirut, wechselte 1949 nach Paris an die Sorbonne und ging später in die USA. 1972 kehrte sie in den Libanon zurück, musste das Land jedoch 1976 aufgrund des Bürgerkriegs erneut verlassen. Ihr Roman »Sitt Marie Rose« (1978) über die Kriegsgeschehnisse im Libanon zählt heute international zu den wichtigsten Werken der Antikriegsliteratur. Adnan hat in zahlreichen Galerien und Museen in Paris, San Francisco, New York, Zürich sowie Bern ausgestellt und erhielt 2012 eine eigene Retrospektive auf der documenta. Die Sfeir–Semler Gallery, die die Künstlerin in Hamburg vertritt, widmete ihr wiederholt Werkschauen.

Als eines der bedeutendsten Kunstmuseen Deutschlands erweitert die Hamburger Kunsthalle seit der Eröffnung der Galerie der Gegenwart in 1997 die Sammlung der Kunst der Gegenwart systematisch. Die wesentlichen internationalen Entwicklungen und Künstlerpositionen seit 1960 können exemplarisch aufgezeigt und Zusammenhänge sichtbar gemacht werden. Die drei neuen Erwerbungen werden in die aktuelle Ausstellung »something new, something old, something desired« integriert ab dem 16. August 2022 zu sehen sein.