um 1800. Kunst ausstellen als wissenschaftliche Praxis

Image

LAUFZEIT
01.1.2018 - 30.09.2020

Ein gemeinsames Forschungsprojekt von Prof. Dr. Petra Lange-Berndt, Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg; Prof. Dr. Dietmar Rübel, Akademie der Bildenden Künste München und Dr. Alexander Klar, Direktor der Hamburger Kunsthalle sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin Isabelle Lindermann, M.A., Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg.

 

 

Kritische Untersuchung der Konstruktionen einer »europäischen Moderne«

»Kunst um 1800« ist der programmatische Titel einer neunteiligen Ausstellungsreihe, die von 1974 bis 1981 an der Hamburger Kunsthalle in Regie ihres damaligen Direktors, Werner Hofmann, realisiert wurde. Dieses Unternehmen, eine andere Geschichte der europäischen Kunst im Zusammenhang mit industriellen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Umwälzungsprozessen zu visualisieren und zu schreiben, war Forschungsprojekt, Ausstellungsexperiment, Feier der Bildkünste und politische Stellungnahme. Der Zyklus prägte Debatten über wissenschaftliches Arbeiten an Kunstmuseen sowie die Praxis des Ausstellungsmachens, bevor der Begriff des Kuratierens existierte, über Jahrzehnte auf paradigmatische Weise. Dieser museale wie wissenschaftliche Prozess in neun Etappen fehlt bislang in den zahlreichen gegenwärtigen Forschungen und Projekten zur Geschichte der Kunstausstellung. Insbesondere im englischsprachigen Raum ist »Kunst um 1800« weitgehend unbekannt. So geriet die Reihe ausgerechnet mit dem Aufkommen der Curatorial Studies zum Desiderat. Unser Kooperationsprojekt möchte sich diesem mehrteiligen Projekt ausführlich widmen und das Medium Ausstellung aus den Perspektiven von Universität, Kunstakademie sowie Museum analysieren.

Das Forschungsvorhaben untersucht über den Kontext der 1970er Jahre Konstruktionen einer »europäischen Moderne«. Diese Erzählung(en) in Ausstellungsform sollen kritisch befragt sowie aus einer globalen Perspektive auf ihre Aktualität hin diskutiert werden. Welche Politiken zeichnen sich ab? Was für Alternativen wurden innerhalb feministischer oder postkolonialer Forschungen entwickelt? Wir möchten anhand der umfangreichen Archivalien untersuchen, inwieweit es sich bei den vom Team der Hamburger Kunsthalle erarbeiteten Ausstellungen mit ihren monographisch klingenden Obertiteln (Ossian; Casper David Friedrich; Johann Heinrich Füssli; William Blake; Johan Tobias Sergel; William Turner; Philipp Otto Runge; John Flaxmann; Francisco Goya) vielmehr um thematische Ausstellungen handelt. Wie genau war »Kunst um 1800« konzipiert? Wie steht es um Raumgestaltung, Werkauswahl sowie die damalige Rezeption? In was für Ökonomien waren diese Displays eingebunden? Wie unterscheidet sich der Zyklus von anderen musealen Ausstellungen der Zeit? Was für Interdependenzen bestehen zu kulturhistorischen Unternehmungen? So viel ist sicher, neben der Präsentation und Analyse zentraler Werke wurde mit Kunst um 1800 versucht, eine alternative Kunstgeschichte zu schreiben und somit Kritik an Geschichtsbildern sowie Gesellschaftsmodellen zu formulieren: Es war das Anliegen, einen historischen und systematischen Überblick über die ästhetischen, politischen und technischen Veränderungen der Zeit um 1800 und ihrer Folgen für die Künste des langen 19. Jahrhunderts – dem sogenannten Zeitalter der Revolutionen – zu geben. Dabei liefert der Ausstellungszyklus auch Antworten auf die damals von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno vertretene Vorstellung einer Dialektik der Aufklärung, insbesondere auf die komplexen Verschlingungen von Freiheitsstreben und Selbstzerstörung. Die Reihe eröffnet – als eine Art Re-Education – somit einen größeren Kontext, etwa für die Aufarbeitung des deutschen Faschismus und die Etablierung einer streitbaren Demokratie. Innerhalb dieser kuratorischen Methodologie, die sich auf die Hamburger wie Wiener Schule der Kunstgeschichte bezog, fanden sich visuelle Formen des Protestes und Aufbegehrens von 1968. Wie verhält sich das Projekt jedoch zu den damals einsetzenden poststrukturalistischen Diskursen und Theoretiker*innen, die zunehmend im deutschsprachigen Raum rezipiert wurden? Zwar erscheint die Moderne inzwischen als die Antike der Globalisierung, die Geschichte ihrer Bilder, Dinge und Prozesse haben wir aber immer noch nicht hinreichend verstanden. Die Hamburger Ausstellung in neuen Etappen unternahm diesen Versuch in den 1970er Jahren auf modellhafte Weise und rückte die Wirkmacht von Kunstwerken ins Zentrum. Wir fragen danach, welchen Werkzeugkasten das praktisch-wissenschaftliche Verfahren »Kunst um 1800« bereitstellt und welche Relevanz der Zyklus für heute besitzt.

Logo der Universität Hamburg

Gefördert von:

Logo_Liebelt Stiftung

Die Ausstellungen des Zyklus um 1800, Hamburger Kunsthalle

09. Mai 1974 – 23. Juni 1974

14. Sept 1974 – 03. Nov 1974

    04. Dez 1974 – 19. Jan 1975

06. März 1975 – 27. April 1975

  22. Mai 1975 – 21. Nov 1975

19. Mai 1976 – 18. Juli 1976

21. Okt 1977 – 08. Jan 1978

  20. April 1979 – 03. Juni 1979

17. Okt 1980 – 04. Jan 1981