19. Jahrhundert

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Leitung

Dr. Markus Bertsch

Die Sammlung 19. Jahrhundert zählt zu den herausragenden ihrer Art in Deutschland. Anhand zentraler Werkkomplexe und bedeutender Einzelpositionen lassen sich die wesentlichen Entwicklungen dieser bewegten Kunstepoche anschaulich nachvollziehen. Mit Blick auf die deutsche Malerei dieses Jahrhunderts ist dies sogar nahezu lückenlos möglich. Ausgehend von den Ursprüngen der Moderne in Klassizismus und Romantik spannt sich der Bogen über den Realismus und Naturalismus bis hin zum Impressionismus, streift die zeitgleiche Salonmalerei und klingt in symbolistischen Positionen aus.

 

Hervorzuheben ist der ausnehmend umfangreiche Bestand an Gemälden von Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge, Adolph Menzel, Wilhelm Leibl und Max Liebermann, darunter zahlreiche Hauptwerke. Einen besonderen Schwerpunkt bildet darüber hinaus die französische Malerei dieses Jahrhunderts mit Bildern von Jean-Baptiste Camille Corot, Gustave Courbet, Édouard Manet, Edgar Degas, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Paul Cézanne und Paul Gauguin.

In den Anfangsjahren der 1869 eröffneten Hamburger Kunsthalle kann von einem systematischen und planmäßigen Sammlungsaufbau noch keine Rede sein. Dies änderte sich erst mit Alfred Lichtwark, der 1886 sein Amt als erster Direktor des Museums antrat. Er verlieh der Sammlung 19. Jahrhundert die 19. Jahrhundert wesentlichen Konturen, die ihr Erscheinungsbild noch heute prägen. Mit Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich hat er die Gründungsfiguren der norddeutschen Frühromantik wiederentdeckt und zahlreiche ihrer Bilder für die Sammlung gesichert. Zugleich erwarb er Gemälde der französischen Avantgarde des 19. Jahrhunderts, förderte den deutschen Impressionismus und baute eine umfangreiche Kollektion an Werken Max Liebermanns auf. Weiterhin lud er renommierte Künstler aus dem In- und Ausland in die Hansestadt ein, um ihnen lokale Motive nahezulegen. Auf diese Weise sollte – so seine Vision – die Moderne in Hamburg Einzug halten.

Lichtwarks Nachfolger Gustav Pauli knüpfte an dieses Profil an, modifizierte es behutsam und fügte der Sammlung 19. Jahrhundert einige wichtige Stücke hinzu. Neben Erwerbungen auf dem Gebiet der deutschrömischen Kunst gelangten mit den Vermächtnissen von Oscar und Gertrud Troplowitz (1920) sowie von Erdwin und Antonie Amsinck (1921) hochrangige Positionen französischer Malerei des 19. Jahrhunderts in die Hamburger Kunsthalle. Ein besonderer Coup glückte Pauli schließlich mit dem 1924 erfolgten Ankauf von Édouard Manets Nana aus der Hamburger Sammlung von Theodor Behrens. In der Nachkriegszeit bereicherte Carl Georg Heise die Sammlung 19. Jahrhundert um nazarenische Bilder, sein Nachfolger Alfred Hentzen ergänzte sie um einzelne deutsche und französische Positionen. Ein Jahr nach seiner Übernahme der Leitung der Kunsthalle, 1970, konnte Werner Hofmann die Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen davon überzeugen, Caspar David Friedrichs Hauptwerk dem Nebelmeer zu erwerben – ein Bild, das in den folgenden Jahrzehnten zu einer Ikone der romantischen Kunst avancierte und dessen Präsenz als einprägsames Motiv in der Medienlandschaft unvermindert anhält. Untrennbar mit Hofmanns Namen ist auch sein wegweisender Ausstellungszyklus Kunst um 1800 verbunden, mit dem es ihm gelang, die Aufmerksamkeit des Publikums auf diese in künstlerischer Hinsicht ausnehmend vielschichtige Umbruchszeit zu lenken. Auf dem Gebiet des 19. Jahrhunderts prägten Hofmanns Positionsbestimmungen die kuratorischen Initiativen der Folgezeit – bis in unsere unmittelbare Gegenwart.

Dass Sammlungen dynamische Gefüge sind und nur als solche ihre volle Wirkung entfalten können, haben die kontinuierlichen Erwerbungen der letzten Jahre und Jahrzehnte deutlich gemacht. Bedeutende Werkkomplexe konnten ergänzt und manche Lücke geschlossen werden. In den neu eingerichteten Räumen präsentiert sich die Sammlung 19. Jahrhundert in neuem Licht. Die Ordnungskriterien sind vielgestaltig: werkmonographische Konstellationen wechseln mit thematischen Verdichtungen und gattungsbezogenen Arrangements ab, regionale Fokussierungen werden von länderübergreifenden Perspektiven abgelöst. Die Kunst eines Jahrhunderts wird in ihrem Entwicklungsgang, aber auch in ihren Kontinuitäten, Übergängen und Brüchen sinnlich erlebbar gemacht – und erweist sich nach wie vor als Herausforderung für unseren modernen, vielbeschäftigten Blick.

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